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Was ist bidirektionales Laden?

Bei den meisten Elektrofahrzeugen fließt der Strom nur in eine Richtung – vom Ladegerät, der Steckdose oder einer anderen Stromquelle in die Batterie. Für den Nutzer entstehen dadurch offensichtliche Stromkosten, und da bis zum Ende des Jahrzehnts voraussichtlich mehr als die Hälfte aller Autoverkäufe auf Elektrofahrzeuge entfallen werden, bedeutet dies eine zunehmende Belastung für die ohnehin schon überlasteten Stromnetze.

Bidirektionales Laden ermöglicht es, Energie in die andere Richtung zu lenken, von der Batterie zu einem anderen Gerät als dem Antriebsstrang des Fahrzeugs. Bei einem Stromausfall kann ein entsprechend vernetztes Elektrofahrzeug Strom in ein Haus oder ein Unternehmen einspeisen und die Stromversorgung für mehrere Tage aufrechterhalten. Dieser Vorgang wird als Vehicle-to-Home (V2H) oder Vehicle-to-Building (V2B) bezeichnet.

Noch ambitionierter wäre es, wenn Ihr Elektrofahrzeug bei hohem Strombedarf – beispielsweise während einer Hitzewelle, wenn alle ihre Klimaanlagen laufen lassen – auch Strom ins Netz einspeisen und so Instabilitäten oder Stromausfälle vermeiden könnte. Dieses Verfahren wird als Vehicle-to-Grid (V2G) bezeichnet.

Angesichts der Tatsache, dass die meisten Autos 95 % der Zeit geparkt stehen, ist das eine verlockende Strategie.

Doch ein Auto mit bidirektionaler Ladefunktion ist nur ein Teil der Lösung. Man benötigt außerdem ein spezielles Ladegerät, das den Energiefluss in beide Richtungen ermöglicht. Ein solches Ladegerät könnte schon im nächsten Jahr verfügbar sein: Im Juni gab das in Montreal ansässige Unternehmen dcbel bekannt, dass seine r16 Home Energy Station als erstes bidirektionales Ladegerät für Elektrofahrzeuge die Zulassung für den privaten Gebrauch in den USA erhalten hat.

Ein weiteres bidirektionales Ladegerät, das Quasar 2 von Wallbox, wird in der ersten Hälfte des Jahres 2024 für den Kia EV9 erhältlich sein.

Neben der Hardware benötigen Sie außerdem eine Netzanschlussvereinbarung mit Ihrem Stromversorger, um sicherzustellen, dass die Stromeinspeisung ins Netz das Stromnetz nicht überlastet.

Um einen Teil Ihrer Investition in V2G zurückzuerhalten, benötigen Sie eine Software, die das System so steuert, dass es einen für Sie angenehmen Ladezustand beibehält und Ihnen gleichzeitig den besten Preis für die eingespeiste Energie sichert. Der Marktführer in diesem Bereich ist Fermata Energy, ein 2010 gegründetes Unternehmen mit Sitz in Charlottesville, Virginia.

„Die Kunden abonnieren unsere Plattform, und wir kümmern uns um die gesamte Netzinfrastruktur“, sagt Gründer David Slutzky. „Sie müssen sich um nichts weiter Gedanken machen.“

Fermata hat in den USA an zahlreichen V2G- und V2H-Pilotprojekten mitgewirkt. Im Alliance Center, einem nachhaltig orientierten Coworking-Space in Denver, wird ein Nissan Leaf an eine bidirektionale Ladestation von Fermata angeschlossen, wenn er nicht gefahren wird. Laut dem Center spart die Lastspitzenprognose-Software von Fermata durch das sogenannte Lastmanagement hinter dem Zähler monatlich 300 US-Dollar an Stromkosten.

In Burrillville, Rhode Island, verdiente ein auf dem Gelände einer Kläranlage geparkter Nissan Leaf laut Fermata in zwei Sommern fast 9.000 Dollar, indem er während Spitzenzeiten Strom ins Netz zurückspeiste.

Aktuell handelt es sich bei den meisten V2G-Systemen um kleine kommerzielle Pilotprojekte. Slutzky geht jedoch davon aus, dass der Dienst für Privathaushalte bald flächendeckend verfügbar sein wird.

„Das ist keine Zukunftsmusik“, sagt er. „Das passiert im Grunde schon. Es geht nur jetzt darum, dass es in größerem Umfang stattfindet.“

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Bidirektionales Laden: Vom Fahrzeug zum Zuhause
Die einfachste Form der bidirektionalen Stromversorgung ist die sogenannte Fahrzeug-zu-Lade-Übertragung (V2L). Damit lassen sich Campingausrüstung, Elektrowerkzeuge oder andere Elektrofahrzeuge (V2V) aufladen. Es gibt aber auch spektakulärere Anwendungsfälle: Letztes Jahr berichtete der texanische Urologe Christopher Yang, er habe während eines Stromausfalls eine Vasektomie durchgeführt, indem er seine Instrumente mit der Batterie seines Rivian R1T Pickups betrieben habe.

Manchmal hört man auch den Begriff V2X, kurz für „Vehicle to Everything“. Es handelt sich dabei um einen etwas verwirrenden Sammelbegriff, der sowohl für V2H oder V2G als auch für das automatisierte Laden (V1G) stehen kann. In der Automobilindustrie wird die Abkürzung jedoch in einem anderen Kontext verwendet und bezeichnet jegliche Kommunikation zwischen Fahrzeug und anderen Systemen, beispielsweise Fußgängern, Straßenlaternen oder Verkehrsleitzentralen.

Von den verschiedenen Varianten des bidirektionalen Ladens genießt V2H die größte Unterstützung, da der vom Menschen verursachte Klimawandel und schlecht gewartete Stromnetze Stromausfälle deutlich häufiger gemacht haben. Laut einer Auswertung von Bundesdaten durch das Wall Street Journal gab es 2020 in den USA über 180 großflächige und anhaltende Stromausfälle – im Vergleich zu weniger als zwei Dutzend im Jahr 2000.

Die Batteriespeicherung von Elektrofahrzeugen bietet gegenüber Diesel- oder Propangasgeneratoren mehrere Vorteile. So ist die Stromversorgung nach einer Katastrophe in der Regel schneller wiederhergestellt als bei anderen Energiequellen. Herkömmliche Generatoren sind zudem laut, unhandlich und stoßen schädliche Abgase aus.

Neben der Bereitstellung von Notstrom kann V2H Ihnen potenziell Geld sparen: Wenn Sie gespeicherte Energie nutzen, um Ihr Haus in Zeiten höherer Strompreise zu versorgen, können Sie Ihre Energiekosten senken. Und Sie benötigen keinen Netzanschlussvertrag, da Sie keinen Strom ins Netz einspeisen.

Der Einsatz von V2H bei einem Stromausfall ist jedoch nur bis zu einem gewissen Punkt sinnvoll, sagt Energieanalyst Eisler.

„Wenn das Stromnetz unzuverlässig ist und sogar zusammenbrechen könnte, muss man sich fragen: Wie lange wird dieser Ausfall dauern?“, sagt er. „Werden Sie Ihr Elektrofahrzeug aufladen können, wenn Sie es brauchen?“

Eine ähnliche Kritik kam von Tesla selbst – und zwar auf derselben Investorenkonferenz im März, auf der das Unternehmen die Einführung der bidirektionalen Funktionalität ankündigte. CEO Elon Musk bezeichnete die Funktion damals als „äußerst unpraktisch“.

„Wenn man das Auto vom Stromnetz trennt, wird es im Haus dunkel“, bemerkte er. Natürlich wäre V2H ein direkter Konkurrent der Tesla Powerwall, Musks firmeneigenem Solarspeicher.

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Bidirektionales Laden: Fahrzeug-zu-Netz

Hausbesitzer in vielen Bundesstaaten können bereits den überschüssigen Strom, den sie mit Solaranlagen auf ihren Dächern erzeugen, ins Stromnetz einspeisen. Was wäre, wenn die mehr als eine Million Elektrofahrzeuge, die dieses Jahr voraussichtlich in den USA verkauft werden, dasselbe könnten?

Laut Forschern der Universität Rochester könnten Autofahrer jährlich zwischen 120 und 150 Dollar an Energiekosten sparen.

V2G steckt noch in den Kinderschuhen – Energieversorger arbeiten noch daran, die Netze vorzubereiten und die Kunden für die eingespeisten Kilowattstunden zu vergüten. Weltweit starten jedoch Pilotprojekte: Pacific Gas and Electric (PG&E) aus Kalifornien, der größte Energieversorger der USA, hat ein 11,7 Millionen Dollar teures Pilotprojekt gestartet, um die Integration der bidirektionalen Kommunikation zu erproben.

Im Rahmen des Plans erhalten Privatkunden bis zu 2.500 US-Dollar als Zuschuss für die Installation einer bidirektionalen Ladestation und werden für die Rückspeisung von Strom ins Netz bei erwarteten Engpässen vergütet. Je nach Dringlichkeit des Bedarfs und der von den Nutzern bereitgestellten Kapazität können die Teilnehmer zwischen 10 und 50 US-Dollar pro Ereignis verdienen, erklärte PG&E-Sprecher Paul Doherty im Dezember gegenüber dot.LA.

PG&E hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 drei Millionen Elektrofahrzeuge in seinem Versorgungsgebiet zu unterstützen, von denen mehr als zwei Millionen V2G-fähig sein sollen.


Veröffentlichungsdatum: 26. Oktober 2023

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